Die Gesichter der Schwelle – Ein poetisches Triptychon

Drei Essays über das Menschsein zwischen Göttern, Sternen und Erde.

An der Schwelle zwischen den Welten, wo der Atem der Götter flimmert, wo Sternenstaub
Erinnerungen trägt, und Erde in ihrer Tiefe klagt, beginnt das Menschsein zu sprechen.
Drei Stimmen erheben sich aus Dunkel, Licht und Staub:

Ein Wächter der Seelen,
ein kosmischer Ruf des Herzens,
eine verwundete Mutter aus Stein und Feuer.

Dieses poetische Triptychon führt durch das Unsichtbare, durch Schatten und Strahlen,
durch Prüfungen und Offenbarungen – hin zu jenem Ort, an dem das Leben seine Schwelle spürt.


Teil I: Auge im Auge mit Anubis

Ein nächtlicher Gang durch das Schattenreich

Manche Nächte sind mehr als Dunkelheit. Sie sind Prüfungen.
Nicht Träume, sondern Schwellen. Und manchmal wartet hinter dieser
Schwelle der Gott mit dem Kopf eines Schakals. Ich träumte von Anubis.

Auge im Auge stand ich ihm gegenüber – dem altägyptischen Gott des
Übergangs, des Totenreichs, des Urteils. Erhaben wie ein Standbild aus
schwarzem Granit, unbeweglich wie ein Urteil, das längst gefällt ist.

Im Spinnennetz meiner Träume erscheint er mir, unnahbar wie ein Omen
in der Zeit. Seine Augen grimmig, doch erfüllt von einer unbestechlichen
Ordnung, den uralten Gesetzen über Gut und Böse, über Schmerz und Streit.

In seinem Blick liegt kein Zorn, nur das Wissen: Nichts bleibt bestehen.
Alles ist Wandlung – auch du, der du meinst, du wärst du. Ich bin nichts gegen ihn. Ein Hauch im Wüstenwind.
Sein Blick durchdringt mich, wie ein Messer, das Wahrheit freilegt. Wo ich eben noch stand, sind nur noch
die Überbleibsel meiner selbst:

Ein düsteres Schattenspiel von dem, was ich einst glaubte zu sein.
Doch gerade dort, wo alles vergeht, beginnt etwas Neues. Ich kratze alle Ängste zusammen, die sich in mir genistet
haben wie Skorpione im Sand. Es wird eine lange Nacht, in der ich meine letzten Kräfte messe – mit dem Höllenhund
und den Wunden, die mir das Leben selbst geschlagen hat. Schatten greifen mich – stumm, mit sandkalten Händen.
Doch ich bleibe stehn.

Der Gott prüft nicht, ob ich siege – nur, ob ich nicht fliehe.
Denn Anubis lauert nicht nur im Traum. Er ist mir oft begegnet:

Als Krankheit.
Als Zweifel.
Als Tod in vielen Formen.
Er, der Spiegel meiner Seele.

Sein Blick zwingt mich zur Ehrlichkeit. Und wenn ich die Angst überwinde, hinzusehen – dann erkenne ich:
Ich will nicht mehr von seiner Seite weichen. Denn wer einmal durch die Dunkelheit ging
und nicht floh, weiß was in seinem Blick liegt– Feuer und Heilung zugleich.
Und so bleibe ich – beschützt im Licht, das nur der sehen kann, der die Finsternis durchwandert hat.
Doch Licht und Dunkel, Freude und Schmerz – sie wiegen nicht ewig. Sie vergehen. Alles vergeht.

Fahl ist’s zwischen Weiß und Schwarz –
ein tastendes Licht im Schatten der Zeit.
Hoffnung wächst zwischen den Rissen von Fluch und Seligkeit.
So bedenke die Kürze deiner Lebenszeit:
Letztlich ist’s egal, ob du lachst oder schreist.
Anubis nimmt alles.
Das Gute und das Schlechte,
die Trauer und die Fröhlichkeit.

Leicht oder schwer – dein Herz allein entscheidet, wie tief du fällst. Kein Gott richtet –
nur der Blick auf dich selbst wiegt dein Gewicht. Vielleicht – ist die Liebe nur einen Schritt
entfernt vom letzten Urteil. Und vielleicht wird in mir selbst der Himmel neu geboren.

© by AH.2025


Teil II: Sternzeichen Stier und Rosenquarz

Ein poetischer Dialog zwischen Himmel und Erde

 

Einst stieg ein Funke aus dem Schoß der Sterne,
geboren aus urzeitlichem Staub und flammendem Licht.
Unbemerkt verlor er sich im endlosen Tanz der Milchstraße,
ein winziger Tropfen im unermesslichen Ozean des Kosmos.

Das Sternbild Stier – Hüter der Fruchtbarkeit, Kraft und Beständigkeit –
nimmt Gestalt an, ein Kind des Universums und der Erde zugleich.
    


Stille Kraft erwacht,
fest verankert, doch so frei,
Erde trägt das Licht,
Sanftheit in der harten Welt,
Beständigkeit im Fluss.

Zwischen Hitze und Kälte schwebt sein Wesen, ein Gleichgewicht, zäh und sanft zugleich, weder weich noch hart,
sondern beständig, so wie der Rosenquarz, der sein Herz berührt – Sanftes Leuchten inmitten kosmischer Dunkelheit.

Rosenquarz glüht,
trägt das Herz in sanftem Licht,
wärmt kalte Schatten,
bricht die Schleier des Zweifels,
Liebe wächst, zart und unendlich.

Der Kosmos webt Geschichten aus Sternenstaub, Mysterien, die sich in Kristallform fangen, geboren aus Feuer,
geformt von Zeit, ein Spiegel für unser innerstes Wesen, das zwischen Wahrheit und Täuschung wandelt.

Sternenstaub fällt leis,
Funken tanzen durch die Nacht,
Herz aus Rosenquarz,
sanft im Glanze unerkannt,
Liebe webt ihr zartes Band.

Sieben Lichtjahre fern, Siebzig mal sieben Jahre Nacht – wo Ewigkeit atmet, beginnt eine Suche die niemals endet:
nach dem Ursprung, nach dir, nach mir.

Kosmos ruft leise,
zwischen Nichts und Ewigkeit,
suchend in dem Raum,
spiegelt sich das Herz darin,
findet Halt im warmen Stein.

Im leisen Glühen des Rosenquarzes findet das Herz Mut, Zweifel zu überwinden,
während die Sternenbilder mit ihrer ruhigen Macht uns durch die Schatten der Zeit führen,
fest verankert zwischen Himmel und Erde.

Zweifel wie Nebel,
brechen im Kristallenglanz,
Liebe findet Raum,
zwischen Sturm und stillem Grund,
wachsend in sanfter Glut.

Und so wird das Sternenlicht lebendig, nicht nur fern am Firmament,
sondern tief in uns selbst, wo Liebe und Leben sich umarmen, und der Zyklus von Werden und Vergehen pulsiert.

Ewiger Kreis dreht,
Leben, Tod und neues Sein,
Herz schlägt unermüdlich,
Rosenquarz und Stier vereint,
Kosmos webt sein zartes Band.


© by AH.2025


Teil III: Die Erde – Stille Zeugin, zornige Mutter

Eine poetische Meditation über Wunde, Wandlung und das Vermächtnis der Allmutter

Tanz der Vergänglichkeit
Unberührte Welt,
Gemälde aus Licht und Zeit –
Momente verglühen,

ein Tanz ohne Ende,
vergänglich, doch ewig schön.

 

Sie sprach nie.
Und doch verstanden wir sie – im Grollen unter unseren Füßen,
im Erzittern der Nächte, im Trost ihrer Stille. Brennende Wurzel,
Salz im versiegten Flussbett – wer hörte zuerst ihr pochendes Herz?
Der Staub kennt keine Antwort. Wir lebten auf ihr wie Kinder auf
dem Schoß einer Mutter, die längst nicht mehr schläft.

Aus dem Nebel, ohne Anfang, ohne Ende, entstieg sie –
geboren aus Asche und Licht, getragen von der Zeit. Erde.
Stumm atmend. Von Gletschern gezeichnet.
Wir lauschen ihrem Grollen.

Allmutter.
Sie fragt nicht, doch sie erinnert.
Ihre Haut: Narbenlandschaft.
Ihre Augen: Lavaseen.
Ihr Schweigen: das Lied vor dem Sturm.

Zitternder Odem, tief in der Spalte der Zeit, das Beben wächst still – eine Welle im Erdinnern, geboren aus Groll
und Gnade. Wenn sie bebt, beugt sich der Himmel. Wenn sie flüstert, verstummt das Meer. Aber wir hören nicht.
Ihre Wunden blühen wie Mohn – blutrot, an Orten, wo einst Wälder ihr Haar flochten.

Nacht.
Alles schweigt,
doch sie weint.
Regen fällt in Wunden.
Mutter.

Sie gebiert und vernichtet – in einem Atemzug. Wir aber, bleiben ihre Kinder. Feuer speit Berge, nicht aus Hass,
sondern aus Ordnung. Sie trägt Geduld – doch wer zu lange schweigt, spricht zuletzt in Sturmzungen.
Sie verzeiht nicht. Aber sie liebt. In ihrem Schweigen liegt die Ahnung eines größeren Kreises.
Am Ende wird sie uns abschütteln wie der Wind altes Laub.

Staub.
Überall Staub.
Nichts bleibt ewig.
Alles kehrt zu ihr.
Ursprung.

Und vielleicht wird sie uns neu gebären – nicht als Herrscher, sondern als
Hüter des Staunens. In tiefer Stille ruht das Herz der Allmutter, dunkel und warm.
Wer auf ihr lauscht, hört die Welt noch träumen.

© by AH.2025


Nachwort

In den Gesichtern der Schwelle spiegelt sich das Wesen des Menschseins. Zwischen Göttern, Sternen
und Erde. Die Schwelle als Raum des Wandels. Wo Leben und Tod, Licht und Schatten sich berühren.
Wo Zeit sich dehnt, und das Universum atmet.

Ein Zyklus von Werden und Vergehen, in dem das Ewige im Vergänglichen wohnt,
und das Unendliche im Kleinsten sich zeigt. Hier finden wir uns selbst, jenseits von Anfang und Ende,
getragen von der Stille, geführt vom Licht der Schwelle. Vielleicht sind wir uns selbst am nächsten,
wenn wir begreifen: Jede Schwelle ist ein Anfang – und jeder Anfang ein Blick ins Unendliche.