Notate – Momentaufnahmen
Alltag in acht Strichen:
kleine Inventuren, bevor der Augenblick weiterzieht.
Konkrete Miniaturen der Beobachtung, offen für Deutung.
Sie erklären nichts aus, sie lassen Raum.
Präzision, Bild, Rhythmus.
Wenige Sätze, ein Gedanke. Kein Polster.
Diese Sammlung wird fortlaufend ergänzt.
Hinweis
Acht Atemzüge am Brett.
▪ Zwiebeln auf, der Tag weint kurz mit.
▪ Messerflanke: Knoblauch duftet an Stahl.
▪ Pfanne leer – dann das erste Zischen, wie Zustimmung.
▪ Salz zwischen Fingern: Schnee im August.
▪ Dampf beschlägt die Brille; die Suppe wird vertraulich.
▪ Pfeffer niest die Luft wach.
▪ Ein Löffel probiert und nickt.
▪ Später: Stille Teller, warme Hände.
Acht kurze Bilder.
▪ Haltestelle. Warmer Bäckerlufthauch zwischen zwei Böen.
▪ Schaufenster: Gesichter schauen sich an, ohne zu sehen.
▪ Eine Taube stolziert durch Kopfhörerwelten.
▪ Ampel grün; der Regen bleibt rot im Rücklicht.
▪ Treppenhaus: Curry, Parfum, Waschmittel – Etagen reden.
▪ Im Aufzug übt jemand ein Lächeln.
▪ U-Bahn zieht ein Komma in den Tag.
▪ Spät: Neon summt; die Straße verhandelt mit der Pfütze.
Acht Atemzüge im Aufbruch.
▪ März, früh. Eine Knospe reißt leise; die Erde riecht nach Regen.
▪ Pfützen mit dünner Haut; unter dem Schritt bricht sie weg.
▪ Heizung aus, Fenster auf Kipp: die Wohnung hat neue Luft.
▪ Erste Biene am Balkon; Gelb probt die Kehle.
▪ Am Wegrand setzt Gras ein helles Grün.
▪ Regen wird wärmer; der Asphalt dampft kurz.
▪ Wäsche draußen; der Wind probiert den Stoff.
▪ Abends: Amseln ordnen den Hof.
Acht Atemzüge im Licht.
▪ Mittag: Luft flirrt über dem Weg.
▪ Die Stadt riecht nach Stein und Pfirsich.
▪ Schatten sind Zimmer ohne Wände.
▪ Am Fluss: Wasser wiederholt sich; Haut trocknet schnell.
▪ Vor dem Gewitter: Metall im Mund, eine Stille zu viel.
▪ Grillrauch zieht Linien zwischen Balkonen.
▪ Mücken setzen Punkte; die Hand macht Wind.
▪ Nacht: Fenster offen; ein Zug klingt wie Meer.
Acht Atemzüge zwischen Ernte und Frost.
▪ Oktober, spät. Regen an der Scheibe; Tränen bleiben draußen.
▪ Weg am Feld. Gold in Pfützen – der Wind zählt die Reste ein.
▪ Morgennebel. Die Welt spricht leiser; Farben antworten ohne Stimme.
▪ Blätter fallen. Der Boden behält sie wie Notizen.
▪ Tage kürzer; die Küche wird zum Gesprächszimmer.
▪ Ein Apfel in der Hand: säuerlicher Duft, Vorrat im Kern.
▪ Erster Reif. Das Gras tut so, als schlafe es nur.
▪ Zwischen Ernte und Frost: eine Stunde ohne Rand.
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Acht Beobachtungen im Weiß.
▪ Januar, früh. Atem vor dem Gesicht; die Straße zählt Schritte.
▪ Fensterkitt kalt; das Radio spricht wärmer als die Küche.
▪ Schnee am Rand, graues Salz darin.
▪ Handschuhe aus: der Schlüssel erzählt Metall.
▪ Die Stadt klingt gedämpft; Sirenen liegen tiefer.
▪ Ein Hund im Park: schwarze Punkte im Papier.
▪ Später: Licht auf Heizkörperrippen, flackerndes Morse.
▪ Abends: Tee, der Raum wird kleiner und stimmt zu.